Barfuß zum Ja-Wort

An diesem Tag war alles anders. Es fügte sich genau so, wie wir es wollten. Keine starren Traditionen, keine steifen Regeln. Das war von Anfang an klar. Wir wollten keine klassische Zeremonie mit kirchlichem Pomp, sondern ein Fest, das so locker war wie die Palmen im Wind. Kurze Hosen, barfuß – das war der Dresscode. Ich hatte mich für ein langes, cremefarbenes Kleid entschieden. Luftig, leicht, rückenfrei. Während andere Bräute sich Gedanken um ihre High Heels machten, überlegte ich, welcher indischer Fußschmuck am besten harmonierten.

Meine Rastazöpfe hatte ich kunstvoll hochgesteckt, gehalten von einem weißen Stirnband, das mit einem goldenen Band verflochten war. Wie kleine Lichtpunkte glitzerten die weißen Perlen darin, die unser Freund Gabriel, ein talentierter ehemaliger Florist, mit geschickten Händen in mein Haar gezaubert hatte. Er war es auch, der den Brautstrauß kreierte, eine wilde, natürliche Komposition aus tropischen Blüten. Kein steifer Strauß aus dem Katalog, sondern ein Kunstwerk aus leuchtenden Blumen, frisch aus dem Dschungel gepflückt. Und als wäre das nicht genug, baute er uns auch noch einen Altar aus Bambusstäben und geflochtenen Palmenblättern, geschmückt mit zwei weißen Herzen. Eine traumhafte Kulisse: das stetige Rauschen der Wellen, der weite Blick über den Pazifik und der süße Duft tropischer Blüten in der Luft. Ein kleines Paradies, mitten in der Natur, ohne Pomp, aber mit umso mehr Seele. Als ich so dastand, mit meinem Fußschmuck und den Perlen im Haar, fühlte ich mich nicht wie eine klassische Braut, eher wie eine Königin meiner eigenen kleinen Inselhochzeit.

Ein Bräutigam mit Stil und Sinn für Dramatik

Vergiss enge Krawatten und glänzende Lederschuhe. Mein Bräutigam, so frei wie der Wind trat hervor, als hätte ihn eine tropische Brise höchstpersönlich eingekleidet. Auf dem Kopf eine lässige blaue Mütze, perfekt abgestimmt auf sein blau-weiß gemustertes Blumenhemd, das locker im warmen Wind flatterte. Statt klassischer Anzughose trug er eine kurze, weiße Satinhose. Barfuß natürlich, mit seinem goldenen Federtattoo an der rechten Wade, das in der Sonne aufblitzte, als wäre er ein tropischer Freigeist auf dem Weg zu einem neuen Abenteuer. Mein Bräutigam war an diesem Tag nicht nur mein Herzmensch, sondern auch ein Mann mit Stil und Sinn für Dramatik. Kurz bevor wir vor den mit Palmenblättern geschmückten Bambus Altar traten, geschah die Verwandlung. Während ich nur meine Perlen im Haar zurechtrückte, legte er einen stilvollen Kleiderwechsel hin: Die blaue Mütze wich einem kühnen roten Hut, das lässige Blumenhemd tauschte er gegen ein blütenweißes, und darüber zog er eine rot-beige gemusterte Weste, die aussah, als wäre sie direkt aus einem romantischen Tropenmärchen entsprungen. Als er so dastand, in seiner neuen festlichen Pracht, den Sand unter den Füßen, den Blick voller Liebe auf mich gerichtet, konnte ich nur grinsen. Ein Mann, der Modewechsel so charmant hinlegte, konnte ja wohl kaum ein Langweiler sein.

Die Freiheit der Ehe, oder wie ich lernte, sie nicht zu fürchten

Freiheit war für mich immer schon ein großes Wort. Ein selbstbestimmtes Leben zu leben. Die Vorstellung, sie durch eine Ehe verlieren zu können, hatte mich bis zum letzten Moment begleitet. Barfuß und mit klopfendem Herzen schritt ich auf unseren Bambus Altar zu. Die warme Erde unter meinen Füßen war beruhigend, aber nicht genug, um die wilden Gedanken in meinem Kopf zu zähmen. War das wirklich der richtige Schritt? Oder tappte ich geradewegs in eine Falle, die ich selbst nicht einmal sehen konnte? Immer wieder flackerten Filmszenen vor meinem inneren Auge auf.

Julia Roberts in »Die Braut, die sich nicht traut,« rennend, panisch, mit flatterndem Brautkleid. Was, wenn genau das gleich mit mir passierte? Was, wenn mich plötzlich diese lähmende Angst überkam, die Beine schneller waren als der Verstand und ich, zur kollektiven Schockstarre aller Anwesenden, einfach davonlief? Die Vorstellung allein war ein kleiner Horrorfilm für sich. Ich konnte mich selbst nicht mehr richtig einschätzen. Eine tiefere, rebellische Stimme in mir, die, die immer auf Freiheit bestand, die nichts und niemanden brauchte. Was, wenn sie sich jetzt durchsetzte und das Ruder übernahm? »Los, lauf! Du bist nicht für Ketten gemacht!« flüsterte sie leise, irgendwo in den hintersten Winkeln meines Kopfes.

Unsere Notarin führte die Zeremonie unkonventionell und mit einem charmant gebrochenem Englisch durch.  Eine entspannte, lockere Zeremonie mit einer bunten Gästeschar aus Costa Rica, der Schweiz, Deutschland und den USA. Im Hintergrund hörte ich leise die Wellen rauschen und sie begann mit einem Lächeln: »So… today, you say yes, but you are still free, okay?«

Ein leises Lachen ging durch die Reihen.

Und dann geschah… nichts

Keine Panikattacke, kein plötzliches Kippen der Realität. Plötzlich, völlig unerklärlich, war meine Angst wie weggeblasen. Ich fühlte mich leicht. Ganz leicht, erleichtert. Und genau in diesem Moment wusste ich es: Ich bin nicht gefangen. Ich bin genau dort, wo ich sein will. Vielleicht, weil die wahre Liebe nicht aus Fesseln besteht, sondern aus offenen Armen. Vielleicht, weil Freiheit nicht bedeutet, allein zu sein, sondern jemanden zu haben, mit dem man sie teilen kann. Vielleicht auch, weil Freiheit kein Zustand ist, sondern ein Gefühl. Oder vielleicht lag es einfach daran, dass eine Ehe, die mit Sand zwischen den Zehen und Perlen im Haar beginnt, nicht dazu bestimmt ist, jemals festzufahren.

Freiheit ist nicht der Raum, in dem wir uns entfalten können, sondern die Tiefe der Entscheidung, in der wir uns selbst begegnen.

Küsse rund um den Globus

Unser Fest war ein einziges Highlight nach dem anderen! Ein buntes, lebendiges Programm, das keine Wünsche offen ließ. Die amerikanische Sängerin Amanda, ausgestattet mit einer atemberaubenden Stimme, die scheinbar mühelos alle Stimmlagen beherrscht, sorgte mit ihrem costaricanischen Gitarristen für einen Gänsehautmoment nach dem anderen. Doch je weiter der Abend voranschritt, und weil es hier bekanntlich immer warm ist, überkam sie plötzlich der Übermut: Mit einem beherzten Sprung landete sie im Pool! Das Wasser reagierte auf ihre lebensfrohe Körperfülle mit einem kleinen Tsunami, der sanft über den Beckenrand schwappte. Unser Freund Andy war das erste Mal in Costa Rica und sichtlich begeistert. Das warme Klima, die exotische Umgebung, das rauschende Fest und natürlich der Costa Rica Rum, all das schien ihn in eine Art euphorische Entdeckerlust zu versetzen. Offenbar war er so inspiriert, dass er nicht lange fackelte und sich ihr kurzerhand anschloss. Während andere vielleicht landestypische Speisen probieren, hatte Andy eine ganz eigene Methode, das internationale Flair aufzusaugen: Er beschloss, sich auf eine weltumspannende Expedition des Küssens zu begeben. Es war wie eine Filmszene, und die verbliebenen Gäste feierten das Spektakel mit lautstarken Anfeuerungsrufen. So ging das rauschende Fest weiter, bis weit nach Mitternacht.

Und so gesehen blieb uns als Brautpaar das klassische Rückwärtsfallen in den Pool erspart. Das übernahmen stattdessen die quirlige Amanda und der gutaussehende Andy.

Fotos: Wolf Beckmann, Susanne Sailer

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert